Der Ton

Ein Mann besaß ein Cello mit nur einer Saite,
das war sein Ein und Alles,
der Grund seiner Freude.
Und er spielte darauf, wie sag ich das schon,
voller Hingabe und voller Meditation,
voller Andacht und geistiger Konzentration,
ja, er spielte vor allem nur einen Ton.

Ein Glück nur,
seine Frau liebte ihn ganz unsäglich,
denn sie ertrug sein Spiel viele Jahre tagtäglich.
Sie ertrug viele Jahre und das ohne Hohn
seine Hingabe und seine Meditation,
seine Andacht und geistige Konzentration,
sie ertrug viele Jahre den einen Ton.
 

Doch schließlich irgendwann
konnt’ sie’s nicht mehr ertragen
und sie wagte ihren Mann
auf den Kopf zu, zu fragen:
Lieber Mann, ich sah Andere auch Cello spiel’n,
wie sie mit ihren Fingern die Saiten zerwühl’n,
wie da Töne erklangen, schon fast polyphon,
warum spielst du denn immer nur einen Ton?

Der Mann unterbrach daraufhin kurz sein Spiele,
dann sagte er ganz ruhig: Ja, Töne gibt‘s viele.
Jene Andern, die immer die Saiten zerwühl’n,
und so unsäglich viel solcher Tönen abspiel’n,
suchen alle bis heut einen einzigen Ton,
tja und ich liebe Frau - ich fand ihn schon.
 



Hörprobe: